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Forscher des Computer Research Institutes aus Katar haben einen Computeralgorithmus entwickelt, der mit fast 90-prozentiger Sicherheit vorhersagen kann, welche Twitter-Nutzer sich zu IS-Sympathisanten entwickeln werden – ohne dass diese den IS überhaupt jemals erwähnt hätten. Einmal entdeckt, könnten die Betreiber des Kurznachrichtendienstes diese Accounts leicht minutiös beobachten und im Fall einer Radikalisierung sofort sperren. Nicht ohne Grund konzentrieren sich Big-Data-Ansätze bei der Terrorismusbekämpfung auf die sozialen Medien. Sie sind anarchisch, schwer zu zensieren und bieten, was die Terrorismus-Propaganda braucht: Viralität, die ganz große Bühne.
Das ist ein Problem: vor allem für Twitter, Facebook und Youtube selbst. Denn nicht zuletzt schadet es dem Geschäftsmodell, wenn der User jederzeit über Gräuelvideos stolpern kann. Außerdem haben soziale Medien einen taktischen Nachteil: Videos oder ganze Nutzeraccounts können erst gesperrt werden, wenn das Propagandamaterial bereits gesendet wurde und die ersten User erreicht hat. Facebook und Co. sind immer einen Schritt hinterher.
Zumindest bei Twitter könnte sich das nun ändern. Das #MinorityProgramm2015 ist in der Entwicklungsphase. 3,1 Millionen Tweets in arabischer Sprache von 250 000 Nutzern wurden für das Forschungsprojekt ausgewählt. Sie alle hatten den "Islamischen Staat" in irgendeiner Form erwähnt. Eine Stichprobe von 1000 Tweets wurde von einem arabischen Muttersprachler daraufhin eingeteilt, ob sie den "Islamischen Staat" positiv, neutral oder negativ bewerteten. Dabei ergab sich, dass User, die den "Islamischen Staat" als „Aldawla Alislamiya“ („Islamischer Staat“) oder „Aldawla Alislamiya fi Aliraq walsham“ („Islamischer Staat im Irak und der Levante“) bezeichneten, zu 93 Prozent positiv gegenüber der Terrormiliz eingestellt waren. Die Bezeichnung „Da’esh“ („IS“) wiederum wurde zu 77 Prozent von Kritikern des IS genutzt.
Knapp zwei Drittel der Pro-IS-User wiesen dabei eine Radikalisierung nach einer anfänglich neutralen Haltung auf. Ihre nicht mit dem IS zusammenhängenden Tweets wurden von den Forschern auf Gemeinsamkeiten in Ausdruck, Häufigkeit und Kontext untersucht. Spätere IS-Unterstützer verlinkten beispielsweise signifikant häufiger zu Berichten über fehlgeschlagene Aufstände des Arabischen Frühlings. Am Ende steht nun ein intelligenter Algorithmus, der anhand des Tweet-Verhaltens vorhersagen kann, ob ein User später zum Sympathisanten des Islamischen Staates wird. Zur Kontrolle überprüften die Wissenschaftler den Algorithmus an diversen Twitter-Nutzern. Die Erfolgswahrscheinlichkeit: 87 Prozent. Und damit genug, um aus den 288 Millionen Nutzern eine ausreichend kleine Gruppe herauszufiltern, die dazu neigen wird, IS-Propaganda zu verbreiten.